Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung von FFH-Lebensraumtypen im FFH- Gebiet 114 – Saaledurchbruch bei Rothenburg
Wie die meisten Saalehänge wurden auch die Hänge bei Rothenburg traditionell mit Schafen und Ziegen beweidet. Hierdurch entstand ein abwechslungsreiches Landschaftsbild, welches durch ein Mosaik aus Offenlandbereichen mit Magerrasen sowie Gebüsch- und Baumstrukturen geprägt ist. Durch diese langjährige Weidenutzung entwickelten sich in den Offenlandbereichen sehr artenreiche Pflanzengesellschaften, die an die geringen Humusauflagen, die nährstoffarmen und trockenen Standortbedingungen sowie an das zum Teil extreme Kleinklima (z.B. sehr hohe Sommertemperaturen) auf den Hängen angepasst sind.
Heute sind viele dieser Pflanzengesellschaften und zahlreiche der Pflanzen- aber auch Tierarten primär auf Grund der Nutzungsaufgabe sehr selten geworden und häufig stark gefährdet. Viele typische Arten dieser Magerrasen und Felsfluren werden von Gehölzen verdrängt, die wegen der fehlenden Nutzung aufwachsen können. Wegen dieser Bedrohung wurde bestimmten Pflanzenbeständen und Arten, als so genannte Lebensraumtypen (LRT) im Rahmen der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-RL) von der EU eine besondere Schutzwürdigkeit zugesprochen.
Vor allem der Schutz und der Erhalt, aber auch die Wiederherstellung der nach der FFH-Richtlinie prioritären Lebensraumtypen 6210 (Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien), 6240 (Subpannonische Steppen-Trockenrasen) und 8230 (Silikatfelsen mit Pioniervegetation) sind für das Untere Saaletal von besonderer Bedeutung.
Im FFH-Gebiet „Saaledurchbruch bei Rothenburg“ werden seit 2007 Lebensraumtypen der Trockenstandorte mittels Ziegenbeweidung gepflegt und entwickelt. Insgesamt über 16 ha werden mit Ziegen des Landschaftspflegevereins Saaletal e.V. beweidet. Im Laufe eines Projektes der Hochschule Anhalt (FH) Bernburg, in dessen Rahmen auf den Beweidungsflächen ein vegetationskundliches Monitoring durchgeführt wird, zeigte sich deutlich, dass über eine Beweidung mit Ziegen Trockenrasen erhalten und nachhaltig entwickelt werden können. Durch den Verbiss werden die auf den Flächen stehenden Gehölze zurück gedrängt und die charakteristischen Pflanzenarten der Trocken- und Halbtrockenrasen wie z.B. Stengelloser Tragant (Astragalus exscapus), Haar-Pfriemengras (Stipa capillata), Berg-Gamander (Teucrium montanum), Graue Skabiose (Scabiosa canescens) oder Astlose Graslilie (Anthericum liliago) und auch die in Deutschland und Sachsen-Anhalt stark gefährdete Zottige Fahnenwicke (Oxytropis pilosa) können erhalten und gefördert werden.
Aber nicht nur der Verlust an seltenen Pflanzen- und Tierarten ist bedenklich. Durch die Verbuschung verändert sich zunehmend das charakteristische Landschaftsbild des Saaletals und kulturhistorisch genutzte Flächen gehen verloren. Mittlerweile sind im Unteren Saaletal bei weitem nicht mehr alle dieser ehemals so artenreichen Offenlandlebensräume anzutreffen. Vielmehr ist ein stetiger Verlust von Flächen und in vielen Bereichen die Verschlechterung ihres Erhaltungszustandes zu verzeichnen. Folglich besteht hier ein dringender Handlungsbedarf!
Um den Schutz und Erhalt dieser wertvollen Lebensräume zu gewährleisten, startete der Landschaftspflegeverein ein über ELER-Mittel finanziertes Projekt zur „Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung von FFH-Lebensraumtypen im FFH Gebiet 114 – Saaledurchbruch bei Rothenburg“ mit den folgenden Schwerpunkten:
Für den Erhalt und die Wiederherstellung von Lebensraumtypen ist es notwendig, einen Managementplan zu erstellen. In ihm wird das Gebiet in seiner Gesamtheit betrachtet. Es werden umfangreiche Erfassungen und Analysen zu vorkommenden Pflanzen- und ausgewählten Tierarten sowie Lebensgemeinschaften, Landschaftsbild, Geologie, Boden, Wasserhaushalt, Klima und Luft sowie der aktuellen Nutzung mit ihren Auswirkungen auf das Gebiet durchgeführt. Der Managementplan stellt die verbindliche Naturschutzfachplanung für Natura 2000-Gebiete dar.
Anhand der erhobenen Daten werden Schutz-, Erhaltungs- und Entwicklungsziele definiert und geeignete Maßnahmen für das Erreichen der Ziele ermittelt sowie in einem Managementkonzept dargestellt. Ebenso wird eine Kostenschätzung für die vorgeschlagenen Maßnahmen vorgenommen.
Auf Grund des äußerst dringenden Pflegebedarfes einiger Flächen sollen in Absprache mit den zuständigen Behörden bereits vor der Fertigstellung des Managementplanes erste Pflegemaßnahmen durchgeführt werden.
Hierbei handelt es sich vorrangig um Flächen, bei denen bereits in der Vergangenheit Entbuschungsmaßnahmen vorgenommen wurden, die jedoch leider auf Grund fehlender Nachpflege wieder einen hohen Grad an Verbuschung aufweisen. Oder es sind Flächen mit einer noch guten Artenausstattung, die jedoch aufgrund der jahrelang fehlenden Nutzung stark von Verbuschung und/oder Vergrasung betroffen sind. Im Rahmen der Maßnahmen werden diese Flächen entbuscht oder gemäht, damit sich die typischen Offenlandarten wieder besser entwickeln können. Weiterhin wird für die Flächen eine kontinuierliche Folgenutzung angestrebt, wozu im Rahmen des Projektes die notwendigen Recherchen und Vorbereitungen durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die Suche nach künftigen Nutzern sowie deren Beratung.
Um eine dauerhafte naturschutzgerechte Nutzung der Flächen zu erreichen ist es wichtig, dass die Nutzer der Flächen über die Ziele der Flächenentwicklung und das geeignete Management informiert sind und entsprechend beraten und koordiniert werden. Somit können sich die Nutzer rechtzeitig auf die Ansprüche an die Flächenpflege einrichten und Fehler in der Nutzung (z.B. Pflegezeitpunkte, Pflegeintensitäten etc.) können vermieden werden.
Viele Standorte von Lebensraumtypen und Potentialflächen weisen mittlerweile eine sehr geringe Flächengröße auf und liegen häufig auch relativ isoliert, dass sie von Haupterwerbsschäfern mit großen Herden nicht wirtschaftlich genutzt werden können und somit ungenutzt bleiben. Diese Flächen, die in der Regel jedoch einen hohen naturschutzfachlichen Wert aufweisen, sollen im Rahmen des Projektes hinsichtlich einer Nutzung durch Landwirte, Privatpersonen, aber auch Institutionen (wie z.B. Vereine) geprüft werden. Ziel ist es, möglichst einen geeigneten Nutzer zu finden, der mit den entsprechenden Pflegemaßnahmen (z.B. Beweidung durch Schafe, Ziegen oder Robustrinder, aber auch durch Mahd) die Nutzung und somit Pflege der Flächen zielorientiert sicherstellen kann.
Sonderbeweidungspläne werden für Flächen erstellt, auf denen besonders bedeutsame Arten (z.B. Orchideen) vorkommen. Zum Schutz und Erhalt dieser Arten muss häufig eine entsprechend angepasste Beweidung vorgenommen werden (z.B. Regelung der Besatzdichte, der Besatzstärke oder des Beweidungszeitraums). Für Flächen mit Vorkommen besonders bedeutsamer Arten werden im Rahmen des Projektes Grundlagen zur Erstellung von Sonderbeweidungspläne erhoben und bewertet. Dies ist wichtig damit eine Nutzung, unter Berücksichtigung der Ansprüche jeweiliger Arten, mit einem für die Nutzer noch vertretbaren Aufwand sichergestellt werden kann.
Mit den wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte ging die Zahl der regionalen Schlachthäuser und verarbeitenden Betriebe zurück. Das hatte gravierende negative Folgen für die Vermarktungsstrukturen von Produkten aus der Region. In der Folge werden auch Tiere aus der Landschaftspflege, die in der Regel eine sehr hochwertige Fleischqualität besitzen, nicht vor Ort geschlachtet, sondern von Großhändlern aufgekauft und über sehr weite Strecken zu den großen Schlachthöfen oder „Sammelplätzen“ transportiert. Von den Großhändlern werden zumeist nur sehr niedrige Preise für die Tiere gezahlt, welche dem enormen Mehraufwand in der Haltung die Tiere nicht annähernd entsprechen. Die Haltung der Tiere und folglich auch die Flächennutzung werden daher zunehmend unattraktiver. Der Landschaftspflegeverein möchte diesem Trend durch die Unterstützung des Aufbaus regionaler Vermarktungsstrukturen für Produkte aus der Landschaftspflege entgegenwirken.
Mit einer regionalen Verwertung, Veredelung und Vermarktung von Produkten aus der Landschaftspflege verbinden sich viele positive Aspekte. So können beispielsweise Transportwege reduziert werden, was sowohl aus Sicht der Tiergesundheit als auch aus klimapolitischer Sicht positiv ist. Dazu werden Arbeitsplätze in der Region gesichert sowie neu geschaffen. Da die Vermarktung der Produkte unter einer Regionalmarke sinnvoll ist, sollen bereits bestehende Strukturen recherchiert und deren Ausbau unterstützt werden.
Neben den positiven wirtschaftlichen Aspekten von funktionierenden, regionalen Vermarktungsstrukturen wird auch die Identifizierung der Bevölkerung mit der Region gestärkt (Produkte aus „unserer Region“). Die Vermarktung der Produkte in der Region zieht darüber hinaus noch weitere positive Aspekte nach sich. Durch die Sicherung der Flächennutzung wird das traditionelle und kulturhistorische Landschaftsbild des Saaletales erhaltenen und wiederhergestellt, was insbesondere für die touristische Attraktivität der Region sehr wichtig ist.
Folglich profitiert eine Vielzahl von Nutzergruppen von einer funktionierenden Regionalvermarktung, wie die in anderen Teilen Deutschlands bereits etablierten Strukturen beweisen (z.B. in der Lüneburger Heide oder in der Rhön).
Um den Erhalt einer strukturreichen Landschaft gewährleisten zu können, ist neben ihrer Pflege und Wiederherstellung auch eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit, besonders der Bevölkerung des Umlandes, für den Wert, den Schutz und Erhalt sowie die Pflege/Nutzung dieser Lebensraumtypen zwingend notwendig. Aus diesem Grund bildet die Öffentlichkeitsarbeit einen weiteren Aufgabenbereich des Projektes. Für die Vermittlung der Schönheit, Attraktivität und Bedeutung von Offenland-Lebensraumtypen und anderen wertvollen Biotopen werden Führungen und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Damit soll auch die Akzeptanz für Biotoppflegemaßnahmen verbessert werden. Weiterhin sollen Vorschläge für die Verbesserung der Beschilderung der Naturreichtümer des Saaletals erarbeitet werden.
In den Kindern liegt unsere Zukunft. Für diese müssen wir unsere Natur- und Kulturlandschaft schützen und erhalten. Wichtig ist daher eine umfangreiche Umweltbildung. Um sowohl Kinder als auch Erwachsene für die Natur zu begeistern oder sie zumindest auf die Bedeutung der Natur aufmerksam zu machen, werden im Rahmen des Projektes die Grundlagen für eine Umweltbildung mit dem Schwerpunkt der Offenlandlebensräume (hier speziell Trocken- und Halbtrockenrasen) erarbeitet.